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IDEOLOGIE UND WERTE in der rechtsextremen Szene 

Die rechtsextreme Szene ist durch Vielfalt von Organisationsformen und Personenzusammenschlüssen gekennzeichnet. Ihre Unterschiede im öffentlichen Auftreten sind dabei enorm. Eine einheitliche rechtsextreme Szene existiert somit nicht. Von Cliquen, Vereinen und Bürgerinitiativen über Burschenschaften und Freie Kameradschaften bis hin zu Parteien gibt es unzählige Möglichkeiten, sich in rechtsextremen Kreisen zu bewegen oder auch sich für sie zu engagieren.  

Die am längsten bestehende und wohl bekannteste rechtsextreme Partei in Deutschland ist die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Mit ihrer Gründung wurde an die Ideologie der verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) zur Zeit des Nationalsozialismus angeknüpft. Die NPD präsentiert sich als absolute Opposition zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und vertritt rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Standpunkte.1 

Zur NPD gehören außerdem noch die Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Diese Organisation will sich allerdings von der NPD abgrenzen und ein eigenständiges Profil erlangen. Sie suchen vermehrt die Verbindung zu den „Freien Kräften“ und unterhalten ein Netz zu den sogenannten „Freien Kameradschaften“. Aus diesen entstammen auch viele der NPD-Funktionäre und einige davon stellen weiterhin Führungspersonen in lokalen rechtsextremen Gruppierungen.  

Die „Freien Kameradschaften“ sind im Vergleich zu den Parteien eher unstrukturierte Gruppierungen der rechtsextremen Szene und gesetzlich nicht definiert. Diese eher kleinen Organisationen von ca. fünf bis zwanzig Personen agieren unabhängig, sind aber meist gut untereinander vernetzt. Aus diesen Gruppierungen haben sich auch die „Autonomen Nationalisten“ herausgebildet, die durch eine hohe Gewaltbereitschaft auffallen und besonders aktionsorientiert sind. Diese kopieren und vereinnahmen antifaschistische Aktionen. Durch diesen Imagewechsel vom alten Klischee des „kahlköpfigen Nazi“, hin zum wandelbaren, unauffälligen Rechtsextremen, ist es einfacher, mehr Kinder und Jugendliche für die Szene zu begeistern.  

Außerdem gibt es rechtsextreme Bürgerinitiativen wie die „Bürgerinitiative Schöner Wohnen in Wolgast“. Diese rief u.a. dazu auf, gegen eine Unterkunft für Asylbewerber mobil zu machen. Daneben bestehen auch Initiativen, die nicht unbedingt offensichtlich rechtsextreme Ziele verfolgen und dadurch auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Sie greifen meist die aktuellen kommunalen oder auch überregionalen Problemkreise auf und positionieren sich beispielsweise betont gegen „Hartz IV“, veranstalten Kinderfeste oder setzen sich für neue Radwege ein. Sie vereinnahmen damit öffentliche Diskussionen und versuchen durch vereinfachte, populistische bzw. nicht nachhaltige Aktionen politische Probleme oberflächlich zu lösen und im Sinne ihrer rechtsextremen Ideologie umzudeuten.  Dadurch können Kontakte zu Menschen außerhalb des rechtsextremen Spektrums zunächst einfacher geknüpft werden, um diese dann später möglichst für die übergeordneten, rechtsextremen Ziele zu interessieren.  

Ebenso werden Vereine ins Leben gerufen, um sich für die gemeinsamen, rechtsextremen Bestrebungen stark machen zu können. Dazu zählt unter anderem das „Deutsche Rechtsbüro“. Es versteht sich als Selbsthilfegruppe, berät Rechtsextreme und unterstützt sie, wenn es z.B. um gerichtliche Verfahren gegen diese geht.  

Ein weiterer wesentlicher Baustein in der Vernetzung, Kommunikation und Nachwuchswerbung der Rechtsextremen ist das Internet. Der größte Teil von Jugendlichen nutzt mittlerweile regelmäßig diverse Plattformen und kann so kostengünstig und auf breit gefächerter Ebene gezielt angesprochen werden. Ein anderer entscheidender Vorteil des Internets ist, dass durch die hohe Anonymität und die Nutzung ausländischer Server auch strafrechtlich relevantes Material verbreitet werden kann.  

Viele Kameradschaften unterhalten eine eigene Homepage und mobilisieren mit wenig Aufwand ihre Mitglieder für Demonstrationen oder Kundgebungen. Versandhändler der rechtsextremen Szene nutzen das Internet um Waffen, gewaltverherrlichende Darstellungen von Krieg und Zerstörung, rechtsextreme (teilweise verbotene) Musik sowie Kleidung rechtsextremer Marken zu verkaufen. Rechtsextreme Internetradios verbreiten mit Interviews immer aktuelle szenebezogene Informationen und übertragen die neueste rechtsextreme Musik. Zu den bekanntesten rechtsextremen Seiten zählten vor allem Altermedia (auch Störtebeker-Netz genannt) und das Internetforum Thiazi. In beiden wurden aktuelle Themen, Termine, Bücher- und CD-Neuerscheinungen besprochen und diskutiert.  

Die großen sozialen Netzwerke wie Facebook werden besonders häufig von Jugendlichen genutzt. Dementsprechend wird auch in solchen allgemeinen, eigentlich unpolitischen Foren versucht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. Mit eindeutigen Kommentaren, durch die Gründung von diversen Gruppen oder das Eröffnen von Profilen für einschlägige Bands können hier problemlos junge Menschen, die nicht zur Szene gehören, angesprochen werden. Allerdings nutzen auch rechtsextreme Organisationen, z.B. die NPD, die Plattformen und stellten eigene Inhalte bereit. Der Versuch, Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft anzusiedeln und neue Anhänger zu gewinnen, kann im Internet also besonders leicht und mit sehr niedrigen Hemmschwellen unternommen werden.  

Die Ideologie der Rechtsextremen ist, wie schon im Nationalsozialismus, eher heterogen. Es gibt dementsprechend kein klar strukturiertes Weltbild der Rechtsextremen, sondern nur verschiedene Kernelemente. Gemeinsam ist den rechtsextremen Strömungen jedoch, dass meist ein verfälschtes Geschichtsbild vermittelt wird und die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes geleugnet oder verharmlost werden. So behaupten einige Rechtsextreme beispielsweise, dass es den Holocaust nie gegeben hätte.  

Ein weiteres Kernelement ist das Führerprinzip („Ein Volk – ein Führer“). Dieses besagt, dass sich jeder Einzelne in ein stark hierarchisches System unter der Führung einer leitenden Person ein- bzw. unterordnen muss. Dadurch können keine anderen Parteien, keine Glaubensrichtungen bzw. Religionen, also generell keine Andersdenkenden mehr geduldet werden. So werden gleichsam Mitbestimmungsrechte aufgegeben und die eigene Verantwortung geht an die zentrale Führungsperson über. Des Weiteren hat sich der Einzelne dem Volk unterzuordnen, denn das Wohl des Volkes steht an höchster Stelle. Demokratie und Individualismus müssten demnach einer „Volksgemeinschaft weichen, in der das Glück und Schicksal des Einzelnen keine Bedeutung hat. 

Das wahrscheinlich wichtigste vereinende Element aller rechtsextremen Gruppierungen ist die Gewalt. Dazu zählt nicht nur die eigene Gewaltbereitschaft, sondern auch die Billigung von Gewalt als angemessenes Mittel zur Umsetzung politischer Ziele. Sie zeigt sich unter anderem in der Verherrlichung der Wehrmacht und der Waffen-SS. Ein Beispiel dafür ist die in den 1970er Jahre aktiv gewesene „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Auch wenn diese 1980 als verfassungswidrige Organisationen verboten wurde, ist der Gründer Karl-Heinz Hoffmann heute noch bekannt bzw. populär in der Szene und wird als Redner zu rechtsextremen Veranstaltungen geladen.  

Eng mit dem Thema Gewalt verbunden ist die Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen. Diese zeichnet sich u.a. durch sozialdarwinistische Versatzstücke („Überleben des Stärkeren“), ein totalitäres Normenverständnis mit einer eindeutigen Wertehierarchie (Ausgrenzung von „Anderen“), rassistischen Abwertungen von Minderheiten, aber auch durch die Unterscheidung in lebenswertes und lebensunwertes Leben aus. Das rassistische Gedankengut offenbart sich insbesondere durch die Forderung der Rechtsextremen, die „deutsche Rasse“ zu erhalten bzw. eine „Herrenrasse“ herauszubilden. Weitere wichtige Kennzeichen der rechtsextremen Rassenideologie sind unter anderem Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Abgrenzungsbestrebungen stehen im direkten Zusammenhang mit Gewalt. Über die Gewalt, beginnend mit Beleidigungen und Bedrohungen, wird versucht, Minderheiten aus der Gesellschaft zu drängen. Über die so herbeigeführte Herabstufung der Opfer, erhalten die Täter ein Gefühl der Größe und Überlegenheit. Die Hemmschwelle der Täter, dann auch Gewalt anzuwenden, sinkt dadurch sehr deutlich. Egal ob sich ein Opfer wehrt oder eine passive Haltung einnimmt – das Verhalten wird nunmehr falsch ausgelegt, um eine Rechtfertigung für gewalttätiges Verhalten zu haben.  

Quellenverzeichnis

  • Verfassungsschutzbericht Freistaat Thüringen 2009. 

  • Thüringer Beratungsdienst – Ausstieg aus Rechtsextremismus und Gewalt: Rechtsextremismus – das betrifft mein Kind? Ratgeber für Eltern. 4. Auflage, Jena, 2013. S 37 ff.