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IRRITATIONSMOMENTE – Impulse für die Ablösung von der rechtsextremen Szene 

IRRITATIONSMOMENTE entstehen durch mögliche negative Erfahrungen in der Szene, die ein weiteres Verbleiben darin infrage stellen (sogenannte PUSH-FAKTOREN). Positive Faktoren, die das Leben außerhalb der Szene als attraktiv und erstrebenswert erscheinen lassen, sorgen ebenfalls für Irritationen, indem sie ein Nachdenken oder Umdenken bewirken und zur Bereitschaft, sich aus der Szene zu lösen, führen (PULL-FAKTOREN). 

Irritationsmomente können also dafür verantwortlich sein, dass ein Wille zur Ablösung von der Szene entsteht oder zumindest ein Gedanke in diese Richtung. 

Christian Pfeil bezieht sich in seinem Buch „Ausstiegsprozess aus der Rechtsextremen Szenezusammenhängen“ unter anderem auf den norwegischen Wissenschaftler Tore Bjørgo. Die Faktoren, die zu einer Ausstiegsmotivation führen können, benennt Bjørgo mit „Push-„und „Pull- Faktoren“. (vgl. Pfeil, Christian; 2016: S. 79 f.)

 

Push-Faktoren nach Tore Bjørgo

Push-Faktoren innerhalb der rechten Szene sind erlebte negative soziale Sanktionen. Als solche werden oftmals Streitigkeiten mit den Eltern, soziale Isolation durch Strafverfolgung oder gewalttätige Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern, aber auch wie mit Mitgliedern der rechten Szene genannt. Hier wird allerdings eingeräumt, dass die sozialen Sanktionen nur dann als wirksam erscheinen, wenn die Person noch nicht in der Gruppe etabliert ist. Anderenfalls kann es auch zum gegenteiligen Effekt kommen und es findet eine noch stärkere Identifizierung mit der Gruppe statt. 

Ebenso kann das Gefühl, dass Handlungen zu weit gehen als Push-Faktor wirken, beispielsweise bei Anwendung von Gewalt. Auch eine Desillusionierung und Enttäuschung über die Arbeitsweise der Gruppe spielt hier eine wichtige Rolle. So kann eine gelebte Wirklichkeit, die nicht mit der propagierten Ideologie der Gruppe übereinstimmt wie unkameradschaftliches Verhalten, Szenemitglieder zur Irritation führen. Weiterhin zählen der Statusverlust innerhalb der Gruppenhierarchie und eine Art „Erschöpfungszustand“ in militanten Gruppen zu diesen Momenten. Der Statusverlust kann durch eine Verschiebung der Altersstruktur in einer Gruppe zustande kommen. Das insgesamt als stresshaft empfundene Gruppenleben, die ständige Anspannung und Erwartung des Zugriffs von Strafverfolgungsbehörden wirken hier auf jeden einzelnen Szeneangehörigen ein und können daher zu einem Erschöpfungszustand führen. (vgl. Pfeil, Christian; 2016: S. 80 ff.)

 

Pull-Faktoren nach Tore Bjørgo3 

Positive Faktoren, die außerhalb der rechten Szene erlebt werden, sind oft eng verknüpft mit dem Verlangen nach einem „bürgerlichen normalen“ Leben. Hinzu kommt die Sorge um die eigene berufliche und private Zukunft. Besonders die Gründung einer Familie mit der einhergehenden Verantwortung und den anstehenden Aufgaben spielt eine große Rolle. Auch ein/eine Partner*in, der / die nicht in rechten Szene ist, kann zum Ausstiegsgedanken beitragen.

Wichtig für die positiven Erlebnisse sind ein vorhandenes soziales Netzwerk oder Bezugspersonen außerhalb der rechten Szene. So können die Familie oder eben PartnerInnen unterstützend wirken, um in solchen Momenten der Irritation richtungsweisend zu sein. (vgl. Pfeil, Christian; 2016: S. 82 ff.)

Beispiele für Irritationsmomente, die in der Ausstiegsberatung immer wieder genannt werden:

  • Der Wunsch nach der Gründung einer Familie
  • Der Wille, nicht mehr straffällig zu werden (Das Gefängnis vermeiden)
  • PartnerInnen verurteilen Gewalt  
  • Wunsch nach einem Job und nach eigenem Geld
  • Selbst erlebte Gewalt innerhalb der Szene
  • Der Wunsch nach Vorbildwirkung für das eigene Kind oder für Nichten und Neffen 
  • Der Wunsch, „das eigene Leben endlich in den Griff zu bekommen“
  • Das Erkennen von Widersprüche zwischen der Ideologie und dem Erlebten 
  • Die Kritik an Hierarchie („Wie bei der Armee ist das.“) 
  • Die Isolation durch die „Kameraden“ im Gefängnis  („Es hat sich nie jemand gemeldet.“) 
  • Die Feststellung, dass Kameraden keine Freunde sind. – („Als ich dann in der Scheiße saß, waren alle weg.“ „Das ist alles nur oberflächlich.“)

Quellenverzeichnis

  • Pfeil, Christian: Zum Ausstiegsprozess aus rechtsextremen Szenezusammenhängen; BIS-Verlag, Oldenburg 2016.